Mit dem Forster auf den Lofoten

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Mit dem Forster auf die Lofoten

EPIC RIDE 68° NORTH!

Schroff und steil ragen die Inselberge der Lofoten aus einem für Nordnorwegen fast surreal türkisfarbenen Meer. Ob man hier auch biken kann?

Mit dem Forster auf die LofotenHol die Kamera raus!“, schreie ich Christian an. Er kann mich nicht hören, obwohl er nur drei Meter entfernt steht.
In gebückter Haltung stemmt sich Christian nach oben. Ich tue es ihm gleich, mache mich klein, um dem Sturm weniger Angriffsfläche zu bieten. Der Ozean ist aufgepeitscht, übersät von Schaumkronen. Typisch Lofoten! Dieser magische Ort aus Bergen und Meer ist bekannt für Wetterkapriolen. In Minuten kann es wechseln zwischen Regen, Schnee und Sonne.

MIT DEM E-MTB HART IM WIND

Die Berge, selten höher als 1000 Meter, ragen schroff und steil wie Drachenzähne aus dem Meer. Höchste Erhebung ist der Higravstinden mit 1146 Metern. Um die senkrechten Wände herum perlt das Wasser der Fjorde wie ausgelaufenes Quecksilber. Christian und ich verschanzen uns hinter einem großen Fels und beobachten ein Paar, das versucht, sich ähnlich wie wir zum Gipfel hinauf zu kämpfen – allerdings ohne Räder. „Hol‘ die Kamera raus!“, wiederhole ich. Jetzt versteht mich Christian, zückt den Apparat und sagt breit grinsend: „Rock´n Roll!“ Ich verlasse den Windschutz und kämpfe mich mit dem Bike wieder nach oben. Das Pärchen verschanzt sich hinter dem Felsen, an dem Christian steht. Ich stelle das Rad gegen den Wind, als würde ich mich in eine steile Kurve legen. Mein Kumpel hebt die Hand, ich halte meinen Lenker mit beiden Händen fest und rolle los. Aber ich komme nur paar Meter weit, bevor mich der Sturm in ein Loch voller Matsch bläst. Unsere beiden Zuschauer grinsen.

IDEALE KULISSE

Vor zehn Jahren war ich zum ersten Mal auf den Lofoten. Die Berge und die unberührte Natur haben mich damals so fasziniert, dass ich hierkehr zurückkehren musste – und zwar zum Biken. Daraus will ich einen Film machen. Das Problem: Im Netz findet man keine detaillierten Infos, und mit dem mir vorliegenden Kartenmaterial lassen sich gute Trails kaum ausfindig machen. Aber: Bei meinen Recherchen bin ich immer wieder über den Namen Andreas Tonelli gestolpert. Warum ihn also nicht anrufen? Gesagt, getan! Am anderen Ende der Leitung begrüßt mich der sympathische Südtiroler mit einem breiten „Hoi, Andi“. Von meiner Idee, einen Mountainbike-Film auf den Lofoten zu drehen, ist er sofort begeistert. Ergo vereinbaren wir, uns Ende September in Nordnorwegen zu treffen. Eine gute Woche später war es soweit: Ich packe meine Bikes, Ersatzteile, Klamotten für jedes Wetter und SUP-Boards, kurzum einen halben  Sportladen, ins Wohnmobil. Das Navi zeigt mir 36 Stunden Fahrzeit für 3400 Kilometer an, vom oberbayerischen Hausham ins nordnorwegische Evenes. Am dortigen Flughafen treffe ich Christian Back, Fotograf und Filmer des Projekts. Es ist Mitte September, und wir befinden uns auf dem 68. Breitengrad, ungefähr 200 km oberhalb des Polarkreises, wo die Sonne im Sommer nicht untergeht. Wir kommen mit unserem Camper spät nachts in Svolvaer an, mit über 4700 Einwohnern Hauptort und wirtschaftliches Zentrum der Lofoten. Der Golfstrom macht sein Klima milder als das anderer Orte auf dem gleichen Breitengrad wie Alaska oder Grönland. Die Durchschnittstemperatur liegt im Sommer bei 14, im Winter bei 2 Grad. Hier treffen wir Andreas, den Südtiroler, der als Ski-, Wander- und Bike-Guide und als Reiseanbieter arbeitet. Wir begrüßen uns,
als würden wir uns schon Jahre kennen. „Das ist der Richtige Typ unsere Unternehmung“, denke ich. Er führt seit Jahren Touren auf den Lofoten und kennt die Trails wie kein anderer.

Mit dem Forster auf die Lofoten

BIKER-PIONIERE AUF DEM GIPFEL

Mit dem Forster auf die LofotenAm nächsten Morgen stehen wir früh auf, um die Fähre zur neun Kilometer entfernten Insel Skrova zu erwischen. Von deren Gipfel wollen wir abfahren. Die ersten paar Meter sind locker. Der leichte Uphill ist ideal fürs E-MTB. Ich bin froh, nicht – wie Andreas – stromlos unterwegs zu sein. Wenig später aber hört der Spaß auf. Ich muss dem 24 Kilo schweren Brocken schultern, zusammen mit dem Rucksack trage ich nun 30 Kilo. Andreas lacht und hängt sich sein federleichtes Bio-Bike um. „Auf den Lofoten gibt es fast nur Trails mit Tragepassagen, da ist ein E-MTB nicht ideal“, hatte er mich gewarnt. Ich sehe es sportlich. 250 Höhenmeter müssen wir die Räder buckeln, bis wir auf dem Gipfel des Høgskrova stehen – als wohl erste Biker überhaupt. Das Panorama ist atemberaubend: Die Sonne steht flach, das türkisfarbene Meer und der weiße Sandstrand wirken surreal. Wir können unser Glück kaum fassen. Dann starten wir unseren wilden Ritt über schroffe Felsrücken und flächigen Granit. Ein Weg ist nur schwer erkennbar, wir folgen unserer Intuition und finden einen Trail, dessen enge Kehren nur durch des Hinterrads zu bewältigen sind. Die letzten Meter zum Meer rollen wir auf weißem Sand. „Wer zuerst im Wasser ist …“, rufe ich. Ergo hechten wir in unseren Boxershorts ins vermeintliche tropische Meer. Doch so schnell wie wir drinnen sind, sind wir auch wieder draußen. 8 Grad Wassertemperatur machen selbst aus harten Bikern Mimosen.

Mit dem Forster auf die Lofoten